Bäume im Siedlungsraum

Bäume im Siedlungsraum müssen ganz andere Anforderungen erfüllen als ihre Kollegen im Wald, entsprechend werden sie mit Bedacht gepflanzt. Hans Schoch, ein Landschaftsarchitekt mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung in Thalwil, erläutert auf diesem knapp zweistündigen Spaziergang,  was für Überlegungen angestellt werden, bevor am Strassenrand ein Loch gegraben und der Setzling in die knapp bemessene Erde gesteckt wird.

Ausgangspunkt ist die Blutbuche bei der Bahnhofspasserelle - der Baum, der bis vor Bundesgericht musste, um am Leben bleiben zu dürfen. Bäume nehmen immer mehrere Aufgaben wahr: Sie sind Lebensräume für viele Tiere, Pilze und Pflanzen; sie beeinflussen Luftqualität und Klima; sie können Nahrung für Menschen produzieren; und sie machen uns Freude. Die Blutbluche leistet in allen vier Kategorien bedeutende Beiträge.

Nächste Station ist das Schulhaus Schwandel, wo wir aus nächster Nähe sehen, was ein Baum aushalten muss. Darunter ist eine Garage & dahinter ein Gebäude, und rundherum gepflastert - es bleiben nur wenige Quadratmeter für das Wurzelwerk. Da haben viele Bäume Mühe damit, entsprechend werden ausländische Arten probiert, hier die flachwurzelnde Gleditschie und die generell sehr robuste und auch bei den Bienen sehr populäre Robinie.

Auch mit der schmalblättrigen Esche wird experimentiert. Ursprünglich in Südeuropa und Nordafrika heimisch, ist sie deutlich hitze- und trockenheitsresistenter als die einheimische Esche, die ausserdem so stark unter Druck ist durch die Eschenwelke, dass sie ohnehin nicht mehr gepflanzt wird.

Siedlungsbäume1

Beim Gemeindehaus bewundern wir eine mächtige Linde - der klassische Wohlfühlbaum, auch dank seines Duftes und der Blüten, die immer noch von vielen Leuten gepflückt werden. Sie ist nicht der optimale Stadtbaum: Sie wächst hoch und breit und ist deshalb weniger am Strassenrand als in Parkanlagen anzutreffen, wo man ihr genügend Raum geben kann.

Der grosse Baum ein paar hundert Meter weiter auf dem Parkplatz des Kirchgemeindehaus ist deshalb keine Linde, sondern ein exotischer Blauglockenbaum: Schnellwüchsig und offenbar stark und vor allem auch wüchsig genug, um sich auf wenig Platz durchsetzen zu können - eine Linde könnte das kaum. Aber auch der Blauglockenblaum hat zu kämpfen mit zwei der gröbsten Widernisse im Siedlungsraum: Bodenverdichtung und Stammschäden. Wenn der Boden zusammengepresst wird durch ein drüberfahrendes Auto, verschwinden die vielen kleinen & kleinsten Hohlräume, die das unterirdische Versorgungssystem des Baumes zwingend braucht.

Oeggisbüelplatz_x

Am Oeggisbüelplatz schliessen wir ab. Hier konnte gestalterisch aus dem vollen geschöpft werden, der Kreisel wurde aus Gründen, die nicht mehr ganz klar sind, so riesig, dass auf der Insel Platz für stattliche Bäume und entlang des äusseren Ringes für ein regelrechtes Arboretum zur Verfügung stand.

Das sind Umstände, die wir heute recht selten antreffen. Im Zusammenhang mit dem sogenannten verdichteten Bauen ist es schwierig geworden für Bäume: Tiefgaragen schränken den ohnehin knappen Platz weiter ein, und Abstandsregeln für Bäume - 4m zur Strasse, 8m zum Nachbarn - machen es praktisch unmöglich, der Strasse entlang die uns vertrauten stattlichen Arten zu pflanzen.

Hoffnung besteht, dass die (kantonalen) Regeln bald geändert werden: Die Rede ist von der Aufhebung oder Reduktion von Abstandsregeln (Zürich und Winterthur sind in dieser Hinsicht bereits autonom) und der Möglichkeit für Gemeinden, im Rahmen von Baugesuchen Baumpflanzungen vorzuschreiben und die Dimensionen von Tiefgaragen einzuschränken.