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“Krähen” im Filmpodium

November 11 @ 20:00 - 21:45

Schulhaus Feld (Singsaal), Tödistrasse 77, 8800 Thalwil

Screenshot

Filmbeginn 20:00 Uhr, Bar offen ab 19:40 Uhr

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Regie & Drehbuch:   Martin Schilt
Land, Jahr:                Schweiz, 2022/23
Musik:                        Peter Scherer
Version:                     Schweizerdeutsch, Deutsch
Spieldauer:                90 Minuten

Ins Kino gehen, um Krähen zu sehen, wenn ich genauso gut einfach das Fenster aufmachen kann?

In vielerlei Hinsicht ist ein Dokumentarfilm über Krähen überraschend. Die Art ist nicht bedroht – und wann habe ich das letzte Mal eine Naturdok gesehen ohne Bedrohungsszenarien?

Ebensowenig dürfen wir in opulenten Bildern von unberührter Natur schwelgen. Unberührte Natur scheint Krähen eher zu beunruhigen, ihre Szene ist Urbanität. Sie sind klassische Siedlungvögel, anpassungsfähig, opportunistisch und wenig scheu. Ihnen ist dort wohl, wo sich der Mensch breitmacht.

Krähen sind nicht besonders schön, und obwohl sie zu den Singvögeln gehören, sind auch die Töne, die wir von ihnen hören, wenig wohlklingend. Sie fressen gerne unseren Müll, sie machen Hatz auf die Brut der Kleinvögel, die wir so gerne an unserem Futterhäuschen beobachten, und eigentlich gibt es doch eher zu viele als zu wenige von ihnen. Nochmals also die Frage: Warum soll ich Zeit und Geld opfern, um eineinhalb Stunden lang Krähen zuzuschauen?

Vielleicht freuen wir uns zuerst einfach einmal, dass es eine Artengruppe gibt, der es gut geht.

Wer sich näher mit Krähen befasst, ist unweigerlich fasziniert. Sie sind schon fast beängstigend gescheit. Sie können improvisieren, im Bedarfsfall Werkzeug einsetzen und gehören zum erlesenen Kreis von Tieren mit einer sogenannten Theorie des Geistes: Sie erkennen und verstehen, was im Kopf eines anderen Individuums vorgeht. Anders gesagt, sie können sich in ihr Gegenüber hineindenken und -fühlen.

Im Gegensatz zu uns, für die alle Krähen genau gleich aussehen, können sie uns sehr rasch als Individuen ausmachen und passen ihr Verhalten an. Wenn ich ihnen übel will, muss ich es im ersten Anlauf schaffen – danach erkennt mich die Krähe, warnt ihre Kollegen & Verwandten & macht sich aus dem Staub.

Der Film ist so eklektisch und kosmopolitisch wie sein Gegenstand: Er hüpft von Kontinent zu Kontinent, von Epoche zu Epoche, er geht von Geschichte zu Biologie und Mythologie, und überall, wo er hinkommt, sind die Krähen schon da. Krähen haben die Menschen schon immer begleitet, spätestens seit wir angefangen haben, Ackerbau zu betreiben, aber fast sicher schon vorher: Auf Schlachtfeldern gab es seit jeher etwas zu holen. Mit der Sesshaftigkeit des Homo Sapiens kam der Abfall, ausschliesslich organische Produkte, damals auch noch nicht in Plastiksäcke verpackt. Das Augenmerk auf alles, was Menschen wegwerfen, ist den Krähen geblieben: Plastiksäcke werden gnadenlos aufgerissen.

Menschen und Krähen haben vieles gemeinsam: Stark geprägt vom Leben in der Gruppe, exzellente Problemlöser, allesfressende Opportunisten und vollkommen skrupellos, wenn es darum geht, Platzhirsch zu sein. Ausser, aber das nur nebenbei, dass wir Menschen die unberührte Natur lieben, auch wenn wir es nicht fertigbringen, sie unberührt zu lassen.